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Liebe Buchclub-Teilnehmer*innen,

der 4. Newsletter zu Tove Ditlevsens Roman „Kindheit“ wirft einen Blick hinter die Kulissen der Verlage, hier des Aufbau Verlages, und stellt die Frage:

Wo kommen denn bloßen all die guten Bücher her?


Haben Sie sich diese Frage nicht auch schon einmal gestellt? Wieviel geistige, handwerkliche und logistische Arbeit geleistet worden ist, bis wir gemütlich auf dem Sofa sitzen und ein schönes Buch in den Händen halten und genießen können?

Welch wichtige kulturelle Arbeit für eine Gesellschaft die Verlage leisten, wird oft vergessen. „Die drucken ja nur die fertigen Bücher, das kann ein Autor doch auch alleine!“ – nein, stimmt nicht so ganz. Lesen Sie doch nur mal die ganzen Danksagungen von Autor*innen am Ende ihrer Bücher und Sie bekommen einen kleinen Eindruck davon, welchen Anteil ein gutes Lektorat, eine gute Autor*innen-Betreuung für die Entstehung eines guten Buches hat.

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat dies eindrücklich hier formuliert:
Als ich die Kopenhagen-Trilogie von Tove Ditlevsen gelesen habe, stellte ich mir die Frage, wie denn bloß der Aufbau Verlag auf die Idee gekommen ist, ein fünfzig Jahre altes Buch von einer in Deutschland völlig unbekannten Autorin neu übersetzen und in drei einzelnen schönen Bänden drucken zu lassen. Denn ein solch aufwändiges Projekt stellt ja auch ein enormes finanzielles Risiko dar.

Diese Frage stellte ich an Friederike Schilbach, die Leitende Lektorin des Aufbau Verlages im Bereich Belletristik. Lesen Sie, was Sie geantwortet hat:
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Ute Hentschel: Wie kam der Aufbau Verlag dazu, die Kopenhagen-Trilogie neu übersetzen zu lassen und zu veröffentlichen?

Friederike Schilbach: Ich bin vor etwa zwei Jahren auf Tove Ditlevsen aufmerksam geworden über eine befreundete Lektorin aus Dänemark, die beim Verlag Gyldendal arbeitet, wo Tove Ditlevsen im Original erscheint. In Dänemark hat zu diesem Zeitpunkt eine junge Generation von Autorinnen, Übersetzerinnen und Leserinnen Tove Ditlevsen neu entdeckt. Ich war dann im Sommer 2019 für einige Tage in Kopenhagen Verlage und Buchhandlungen besuchen, und Tove Ditlevsen war wirklich überall. Dann erschien im Herbst 2019 bei Penguin in England die Kopenhagen-Trilogie in englischer Übersetzung, ich konnte die Bände „Kindheit", „Jugend", „Abhängigkeit", erstmals selbst lesen, und das Presseecho war euphorisch. Ich war beeindruckt von der Sprache Ditlevsens, davon, wie entschieden sie ihr Leben gelebt und mit welcher Direktheit und Unmittelbarkeit sie darüber geschrieben hat — und wie frisch und gegenwärtig sich die Texte lasen. Mit ihrer Autofiktion hat Ditlevsen Ende der 1960er einen Grundstein für viele literarische Frauenstimmen gelegt, die uns heute viel bedeuten: Rachel Cusk, Deborah Levy, Annie Ernaux etc., und ich hatte den Eindruck, dass sie unbedingt entdeckt gehört.
Dann entbrannte das Interesse an Ditlevsen international, die Rechte wurden an Verlage in insgesamt 22 Länder verkauft, und wir waren in einer Auktion um die deutschen Rechte mit zwei anderen deutschen Verlagen. Wir haben Ursel Allenstein angefragt, ob sie die Bände für uns übersetzen möchte, und auch sie war schon ganz im „Tove-Fieber“ und hat die Texte für uns ins Deutsche übertragen.

Ute Hentschel: Und warum erscheinen sie in drei einzelnen Bänden?

Friederike Schilbach: Wir wollten hier eine Art Sogwirkung erzielen (wie bei einer guten Serie) und wollten den Leser:innen zugleich die Gelegenheit geben, sich erst einmal mit dem ersten Band vertraut zu machen und Tove Ditlevsen als Autorin zu entdecken. Deshalb haben wir uns für drei Bände und den Erscheinungstermin in unterschiedlichen Monaten entschieden. Trotzdem war es wichtig zu signalisieren, dass die drei Bände auf jeden Fall zusammengehören. Wir haben uns nach einigen Überlegungen für die drei Einzelbände entschieden, da dies am besten zum Seriencharakter passt und die Bücher im dänischen Original auch einzeln veröffentlicht wurden -- jedes ist für sich lesbar.

Ute Hentschel: Wie bewertet der Verlag selbst den Erfolg der Romane?

Friederike Schilbach: Wir sind sehr glücklich darüber, dass Tove Ditlevsen so eine große und breite Leserschaft findet, gut 50 Jahre, nachdem sie die Bücher ursprünglich geschrieben hat. Wir bereiten jetzt weitere Bücher aus ihrem Werk vor, wieder übersetzt von der großartigen Ursel Allenstein.

So weit also die Lektorin, deren Einsatz wir diese Bücher zu verdanken haben!

Weiterhin viel Freude beim Lesen wünscht
Ute Hentschel

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