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Hallo liebe Kund*innen,

anlässlich des 90. Jahrestages der Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten am 10. Mai 1933 haben wir uns am vergangenen Mittwoch einen Abend mit den verbrannten Autorinnen beschäftigt. Die Veranstaltung fand im Rahmen der 1. Feministischen Buchwoche der Bücherfrauen e.V. statt.

„Wenn es ein Datum gibt, an dem Deutschland aufhörte, die größte Wissenschaftsnation und die wichtigste Kulturnation der Welt zu sein, dann war es der Abend des 10. Mai 1933, an dem Studenten, Professoren, Burschenschaftler in voller Montur und Mitglieder von SA und
Hitlerjugend einen Schritt in Richtung eines der Scheiterhaufen machten, die in mehr als 70 deutschen Städten brannten, und mit einem „Feuerspruch“ auf den Lippen Bücher von „undeutschen“ Autoren in die Flammen warfen. Das ehemalige Land der Dichter und Denker
bekannte sich damit endgültig zu einem neuen Barbarismus.“ (Philipp Blom)

Else Lasker-Schüler, Claire Goll, Oskar Maria Graf, Rahel Sanzara, Irmgard Keun, Heinrich Mann, Joachim Ringelnatz, Bertha von Suttner, Upton Sinclair, Nelly Sachs, Joseph Roth, Kurt Tucholsky, Stefan Zweig, Rosa Luxemburg, Gertrud Kolmar, Erich Kästner, Anna Seghers… – die Liste der verbrannten Bücher enthält mehr als 10.000 Titel von mehr als 150 Autorinnen und Autoren.

An diesem Abend haben wir, nach einer kurzen allgemeinen Einführung in das Thema, einige der Dichterinnen und Autorinnen, die verfolgt und deren Werke verbrannt wurden vorgestellt. Viele waren nach dem Krieg jahrzehntelang vergessen, manche konnten trotz Verfolgung und Exil an ihrem Werk weiter schreiben, einige waren schon so berühmt, dass ihnen selbst eine solch existenzielle Bedrohung nichts anhaben konnte.

„Dort wo man Bücher verbrennt,
verbrennt man am Ende auch Menschen“
(Heinrich Heine)

Wir möchten Ihnen einige Bücher, die wir vorgestellt haben auch an dieser Stelle nochmal ans Herz legen.

Entdecken Sie doch einen dieser Klassiker neu!

Zum 90. Jahrestag der Bücherverbrennung von 1933 erscheint nun neu bebildert und durchgängig farbig gedruckt die Neuausgabe von Jürgen Serkes epochalem Buch »Die verbrannten Dichter«. Serke zeichnete die Lebensgeschichten jener exilierten Schriftsteller und Schriftstellerinnen nach, deren Werke von den Nationalsozialisten verbrannt wurden. Die Portraitserie erschien zunächst im STERN und holte vergessene Autoren wie Irmgard Keun, Walter Mehring, Armin T. Wegener, Ernst Toller und Yvan und Claire Goll in das öffentliche Bewusstsein zurück. Serkes Wiederentdeckungen hatten maßgeblichen Einfluss auf die Lektüreinteressen einer Generation von Leserinnen und Lesern in Deutschland. Das Buch führte zu einer Wiederentdeckung der Exilliteratur.

Irmgard Keun

Gilgi, eine von uns

Gilgi, ein Mädchen im Köln der 1920er Jahre, kündigt ihre Stelle als Sekretärin und zieht von Zuhause aus, weil sie das bevormundete Dasein bei den Eltern satt hat. Doch auch das »weiche, zerflossene, bedenkenlose« Leben mit dem Schriftsteller Martin ist keine Alternative und aus ihrem Leben, sagt Gilgi, »soll nicht so'n Strindberg-Drama werden«.

Und da nimmt sie es wieder in die eigenen Hände und macht sich wirklich auf den Weg in die Selbständigkeit. Das Buch, mit dem die 26-jährige Irmgard Keun 1931 über Nacht berühmt wurde.

Gabriele Tergit

Die Effingers

»Effingers« ist ein Familienroman - eine Chronik der Familie Effinger über vier Generationen hinweg. Außer dass sie Juden sind, unterscheidet sich ihr Schicksal in nichts von dem anderer gutsituierter gebildeter Bürger im Berlin der Jahrhundertwende. Alle fahren sie im sich immer wiederholenden Lebenskarussell, das sich durch Glück, Schmerz, Leichtsinn, Erfolg und Scheitern dreht. Erst als der Nationalsozialismus sich breitmacht, wird aus dem deutschen Schicksal der Effingers ein jüdisches. Die Geschichte der Familie Effinger beginnt mit einem Brief des 17-jährigen Lehrlings Paul Effinger, und sie endet mit einem Brief: dem Abschiedsbrief des nunmehr 80-Jährigen kurz vor seiner Deportation in die Vernichtungslager.

Lisa Tetzner

Die Kinder aus Nr. 67

Lisa Tetzners große »Odyssee einer Jugend« beginnt 1931 mit den Kindern eines großen Berliner Mietshauses, die wie Pech und Schwefel zusammenhalten - auch wenn sie sich oft streiten und große Lust am Streiche spielen haben.

Dieses in viele Sprachen übersetzte mehrbändige Werk schildert die deutsche Zeitgeschichte vor, während und nach dem 2. Weltkrieg sehr lebensnah und zugleich mit starkem pazifistischen Engagement.


Lisa Tetzners großer Klassiker der Kinderliteratur: nach wie vor aktuell und spannend.

Anna Seghers

Das siebte Kreuz

»Das siebte Kreuz« machte Anna Seghers mit einem Schlag berühmt und wurde zu einem bis heute anhaltenden Welterfolg. Die dramatische Geschichte einer Flucht vor den Nazis ist durchdrungen von Seghers' eigenen Fluchterfahrungen. Aus sieben gekappten Platanen werden im Konzentrationslager Westhofen Folterkreuze für sieben geflohene Häftlinge vorbereitet. Sechs der Männer müssen ihren Ausbruchsversuch mit dem Leben bezahlen. Das siebte Kreuz aber bleibt frei.

Anna Seghers schrieb ihren berühmten Roman in Paris, einer Zwischenstation auf ihrer lebensgefährlichen Flucht vor den Nazis ins Exil, mit der Souveränität einer Schriftstellerin von Weltrang und einer Klarsicht, die die Lektüre bis heute zur tief berührenden existenziellen Erfahrung macht. Der Text ist durchdrungen von Seghers' eigenen Erfahrungen und dem inneren Bild ihrer rheinhessischen Heimat.

Unsere nächste Veranstaltung:

Mameleben oder das gestohlene Glück -

Lesung mit Michel Bergmann

"Ein Stück jüdisch-deutscher Zeitgeschichte, ein Buch übers Leben und Überleben, über Mütter und Söhne - und über das universell schwierige Verhältnis zwischen alten Eltern und ihren erwachsenen Kindern. Hinreißend erzählt, witzig, dabei offen und berührend. Bergmann ist ein Memoir gelungen, bei dem ich lachen und weinen musste und bei dem meine eigenen verstorbenen Eltern direkt mit auf dem Sofa saßen. Und genickt haben. Tolles Buch!"

Ute Hentschel

Lesung Michel Bergmann