
Wie steht es um die Freiheit? Was bedeutet Liberalismus? Was ist mit der vielzitierten „Krise der Demokratie“? Wie wollen wir leben, wie kann die freie Entfaltung eines jeden Menschen in einer demokratischen Gesellschaft gelingen? Und warum sind autoritäre Systeme im Moment wieder so in Mode? Um diese und viele weitere Fragen kreist Christoph Möller in „Freiheitsgrade“.
Nach den ersten 30 Seiten habe ich das Buch wieder beiseitegelegt: zu schwer, zu theoretisch, zu trocken. Eine Woche später dachte ich: Mensch, du hast doch Sprachphilosophie studiert, jetzt streng dich doch mal ein bisschen an, das Buch ist schließlich für den Deutschen Sachbuchpreis und auch noch für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert und überall im Gespräch. Das muss was haben, jetzt lies es endlich!
Dann habe ich mich aufs Sofa gesetzt und quer im Buch gelesen: also nicht, wie es sich für eine ordentliche Buchhändlerin gehört, brav von vorne nach hinten, sondern einfach mittendrin angefangen und wild weitergelesen. Das geht nämlich auch ziemlich gut, denn Christoph Möllers hat sein Buch in 349 kurze Kapitel, eher Abschnitte, eingeteilt, die man auf seine Empfehlung hin ausdrücklich auch querbeet lesen soll.
Und was soll ich sagen: ich hab mich festgelesen. Und viele bemerkenswerte und interessante Gedanken entdeckt.
Also: loslesen! und nicht bange machen lassen!
Freiheitsgrade kennt man aus der Mechanik. Der Begriff bezeichnet dort die Zahl der Richtungen, in die ein Körper sich an einem Gelenk bewegen kann. Bei seinem Versuch, den Liberalismus auf die Höhe der Zeit zu bringen, geht Christoph Möllers weder von der politischen Großwetterlage aus noch vom Gegensatz zwischen Individuum und Gemeinschaft. Vielmehr versucht er, Formen einer Ordnung herauszupräparieren, die Bewegungsfreiheit und soziale Varianz ermöglicht. So gerüstet, verspricht er keine Antworten, aber neue Perspektiven auf diverse Phänomene: auf den Begriff der politischen Repräsentation, aber auch die Funktion territorialer Grenzen. Freiheit, so Möllers, ist eine Praxis der Ergebnisoffenheit, die Prozesse ermöglicht, von denen unklar sein muss, wohin sie führen.