Apeirogon

Apeirogon

“Wenn wir uns nämlich nicht auf dem Erdboden kennenlernen, werden wir das sechs Fuß unter der Erde tun.“

In diesem Jahr ist endlich wieder ein neuer Roman von Colum McCann, dem irischen, in New York lebenden Schriftsteller erschienen, der auf einer realen Geschichte beruht.

Der Autor war vor einigen Jahren auf einer politischen Bildungsreise in Israel und den Palästinensergebieten, und dort sprachen an einem Tag zwei Männer vor dieser Reisegruppe, Rami Elhanan und Bassam Aramin, ein Isaraeli und ein Palästinenser, und sie erzählten vom Tod ihrer Töchter. Die Eine, Smadar, war 14-jährig bei einem Selbstmordanschlag in Jerusalem ums Leben gekommen, die Andere, Abir, wurde 10-jährig vor ihrer Schule von einem 18-jährigen isaraelischen Soldaten erschossen. Diese beiden Väter wurden enge Freunde und erzählen seit Jahren öffentlich, was ihren Töchtern zugestoßen ist und wie diese Morde sie und ihre Familien verändert haben, und sie erzählen mit dem unbedingten Willen zum Frieden, zur Versöhnung, zum gegenseitigen Verstehen.

„Apeirogon“ ist eine geometrische Figur mit unendlich vielen Seiten. Colum McCann erzählt über die gleichfalls unendlich vielen Facetten des Nahostkonflikts, Episoden, schillernde, spannende Geschichten. Er schildert den beschwerlichen Alltag dort (Checkpoints, Mauern, Straßensperren….), aber auch von Momenten des Glücks. Colum McCann springt gelungen zwischen den Themen und Zeiten, so entsteht beim Lesen ein beeindruckendes Kaleidoskop des Schmerzes und der Hoffnung. Der Roman bietet keinen Lösungsansatz für den isaraelisch-palästinensischen Konflikt, noch nicht mal den Versuch eines kompletten Durchblicks. Und das ist gut so! Es ist ein Appell, einander zuzuhören, einander zu verstehen, auf Rache zu verzichten; wie Colum McCann in einem Interview sagte.“ Wenn wir uns nämlich nicht auf dem Erdboden kennenlernen, werden wir das sechs Fuß unter der Erde tun.“

Als Hommage an „1001-Nacht“ gibt es in dem Roman 1001 Kapitel, zum großen Teil kurze Textstücke. In der Mitte des Romans haben die beiden Väter selbst das Wort. Rami Elhanan: „Die erste Möglichkeit liegt auf der Hand: Rache. Wenn jemand deine Tochter tötet, willst du Vergeltung. Du willst einen Araber töten, irgendeinen, und dann willst du seine Familie töten und alle in seiner Umgebung, so lauten die Regeln, das erwartet man von dir…“. Und Bassam Aramin: „ Was bleibt, wenn Steine ihre Botschaft verlieren? Wir mussten lernen, die Kraft unserer Menschlichkeit einzusetzen. Unerbittlich auf Gewalt zu verzichten. Uns den Dingen zuzuwenden, die wir einander sagen müssen….“

Mich hat dieser aktuelle, auch politisch wichtige, hochliterarische, großartige Roman sehr beeindruckt! Er ist nominiert für den diesjährigen Booker-Prize und ganz sicher mein Favorit!

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Über dieses Buch

Rami Elhanan und Bassam Aramin sind zwei Männer. Rami braucht fünfzehn Minuten für die Fahrt auf die West Bank. Bassam braucht für dieselbe Strecke anderthalb Stunden. Ramis Nummernschild ist gelb, Bassams grün.
Beide Männer sind Väter von Töchtern. Beide Töchter waren Zeichen erfüllter Liebe, bevor sie starben. Ramis Tochter wurde 1997 im Alter von dreizehn Jahren von einem palästinensischen Selbstmordbomber vor einem Jerusalemer Buchladen getötet. Bassams Tochter starb 2007 zehnjährig mit einer Zuckerkette in der Tasche vor ihrer Schule durch die Kugel eines israelischen Grenzpolizisten.
Ramis und Bassams Leben ist vollkommen symmetrisch. Ramis und Bassams Leben ist vollkommen asymmetrisch. Rami und Bassam sind Freunde.
Apeirogon: eine zweidimensionale geometrische Form mit einer gegen unendlich gehenden Zahl von Seiten.
Während „Apeirogon“ nach und nach seine nahezu unendlichen Seiten auffächert und die beiden Männer in seiner Mitte rahmt, entfaltet sich der Palästinakonflikt in seiner ganzen Historie und Komplexität. Dies ist Colum McCanns überwältigendes Meisterwerk – ein Roman, der das Unbeschreibliche sinnlich und sinnhaft erfahrbar, greifbar macht. Ein kaleidoskopischer Text stellt die zeitlose Frage: Wie leben wir weiter, wenn das Liebste verloren ist? Und: Wie kann der Mensch Frieden finden? Mit sich selbst, mit anderen.

Details
Autor:
Genres: Literatur, Roman
Schlagwort: Empfohlen von Martina Bunge
ISBN: 3498045334
Über den Autor
Colum McCann

Colum McCann wurde 1965 in Dublin geboren. Er arbeitete als Journalist, Farmarbeiter und Lehrer und unternahm lange Reisen durch Asien, Europa und Amerika. Für seine Romane und Erzählungen erhielt McCann zahlreiche Literaturpreise, unter anderem den Hennessy Award und den Rooney Prize for Irish Literature. Zum internationalen Bestsellerautor wurde er mit den Romanen «Der Tänzer» und «Zoli». Für den Roman «Die große Welt» erhielt er 2009 den National Book Award. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in New York.